"KarpilewitzImBirkenwald"



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Andreas Ohrenschall zu "Karpilewitz in Birkenwald":

Der Wald,

Karpilewitz’ Wald ist hier

- in ihm -

und weit weg.

Sein Wald durchzieht als Metapher, als pulsierendes Poetogramm und als Raum

alle Dimensionen unserer Sinne und Ausdruckskräfte.

Von Karpilewitz wurde der Birkenwald gemacht.

Er trat in ihn ein und verschwand wieder im Betrachten, in der Erörterung seines Eintretens.

Der Wald öffnet und kondensiert.

Er läßt uns erkennen und verzweifeln.

Er schafft Licht und tiefste Dunkelheit.

Er leitet uns und er führt uns ins nichts, denn es ist ein Birkenwald.

In seiner Beschaffenheit, den helldunkel gestreiften Rinden, den sich sanft räkelnden Stämmen tönt das Drama unserer Befindlichkeit. Wir wandeln im Entscheidungstempel. Es drängt zu sagen, zwingt zu sehen, ob: Die Welt in einer Anhäufung von Stereotypen erstarrt, oder zerfällt zu feinsten Diversitäten, die keine Konsistenz finden außer in normativen Konstrukten, Bedürfnissymbolen.

Der Birkenwald läßt scheinbar nur eine Option zu - er ist das inkarnierte” entweder - oder”. Er bietet keinen Horizont, sondern nötigt den Wanderer, selbst Linien zu ziehen zwischen Aufenthalt und Ziel.


Oder wir verweilen, hören auf zu entrinnen.

Legen uns auf weich grasigen Boden.

Lassen gewähren das Äußere, um das Innerste zur Entfaltung zu bringen.

Empfinden unabhängig von den Dualismen des Handelns.

Ja der Birkenwald hat nichts mit uns zu tun,

aber wir alles mit ihm.


Und dann die Dinge, die vielen, durch Hände und Leben gespült,

werden bestattet im Gleichnis. Stele, Gewißheitsbaum -

seine Früchte vereinen Sinn und Bedeutung, -

da höre man noch einmal auf den Unterschied -

hin zum MikroGesang, Erlöser für Sekunden.

Unterweisung in Deutungskaskaden,

die doch lehren das Reiche inmitten der dürftigen Funktionen,

die den Gegenständen zugemessen werden.


Und dann die Schwarzweiße Ode -

Spiel der Geste, Birkenhaut eingesogen in der Hand,

entfernt von Struktur, in den Raum geworfen metaphernfrei.

Der ersehnte Horizont losgetreten in das rein Vielfältige,

jenes, dessen Aura genährt wird aus der bewußten Entkleidung

des Formalen vom Programmatischen.


So stehen sie hier inmitten der Synthese aus Poetischer Webkunst

und einer ästhetischen Reflexion über deren Parameter.


Das wird nun gezeigt, auch das Zeigen wird gezeigt.

Dieses Vorzeigen braucht Bühnen und Rahmen.

Rahmen amputieren das Gezeigte vom Rest.

Bühnen verwandeln die dampfenden Urwälder der Seele in häusliche Kulturlandschaften.

Hinter Jägerzäunen hat sich das wilde Ich umhüllt mit Stoffen aus Birkenmustern,

das Gleichförmige schützt das furchtsame Selbst vor zu viel Besonderheit.

In der Ausstellung werden wir geführt - von einer Prothetik zur anderen.

Und genau dies will Karpilewitz herausrufen aus dem Birkenwald.

Sehet aus welch großem Leib, welch tausendgliedrigem Geist

ihr doch stets Euch zu entäußern gerichtet werdet,

damit ein Verstehen, letztlich ein Bewegen in Erinnerung gebracht werden kann,

das zur Schönheit auch die Freiheit gesellt...


Maxim - Karpilewitz -

wir sollten nicht Voyeur bleiben gegenüber der russischen Kunstart, die nämlich fein zu scheiden weiß zwischen Intellektualität, Strukturanalyse und wuchtigem Musizieren. Die vertraut auf die Energie psychischer Motorik und nicht folgt einer zaghaften Sinnlichkeit gesättigter Stilsuche.


Maxim - Karpilewitz -

Erkenntnistheorie, Bewältigungskampf und am Ende im Kern ein sprudelndes Herz, das Augen, Zunge und Hände beflügelt, weil selbst der schrecklichste Schmerz nicht wegtrennen konnte dieses Selbst von seinem Quell, der auch das Peinigende aufnimmt, dann zur Fülle wandelt und schließlich zu lebendigster Poesie.

Spüren Sie dem nach - den weitverzweigten Erzählungen, den flirrenden Verknüpfungen, der großen Tiefe, die über so feingesponnene Vegetation verfügt.


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"Karpilewitz im Birkenwald" ist eine In-Szene-Setzung.

Ort: +48° 7' 58.62", +11° 33' 30.64"
Zeit: 13.09.07. bis 05.10.07.

Ein Betrachter, der ich Karpilewitz bin, ist (eben) Karpilewitz, alias Birkenwald.



In einem Wald, einem Birkenwald verfahren schleicht der eingelebte und frustrierte Karpilewitz zwischen den Bäumen herum und sucht, abgesehen vom Fehlen des Such-Instrumentariums jeglicher Art schlechthin, schon lange nicht mehr nach einer anderen Landschaft. Und der vermisste Rote Faden des Erzählens setzt obendrein noch zu: entrollt sich unsichtbar außer- bzw. unterhalb der daseinmüssenden Horizont-Linie gebührlich episch vor sich hin. Selbst diese lässt sich nicht einmal als Bindestrich erblicken, da vom Birkenwald gänzlich zugeholzt*. Vom Karpilewitz belassen.
Was übrigbleibt: Blickfang-Träger** als nicht anstrengend anzusehen und sie zu betrachten. Dabei nicht agieren, nicht intervenieren, bringt nichts.

* inszenegesetzt vermittels der Papierarbeiten.
** inszenegesetzt vermittels der Präsentationsweise der Papierarbeiten
an den Wänden und der auf dem Fußboden der Galerie freistehenden
Objekte
"Der vom Birkenwald zugeholzte Horizont." Der Horizont ist subjektiv und völlig durch die Position des Betrachters bestimmt. Weil er keine unabhängige Existenz hat, ist er für Karpilewitz ein Symbol für eine Vielfalt von Erfahrungen und Erkenntnispäckchen geworden: das sichtbare, das denkbare und das kenntliche. Eine jede von den ausgestellten Papierarbeiten individuell, sowie deren Gruppen in beliebig langen Reihen stehen in dieser In-Szene-Setzung durch die einheitliche Berahmung von relativ gleichen Formaten bzw. geradlinige Hängung mit Mindestabständen für Bruchstücke des "zugeholzten" Horizonts da, die dennoch die Position des Zuschauers am Zentrum seiner Erfahrung bestätigen. Da jedoch die grisaille-verwandten Blätter zwar technisch extrem ähnlich angefertigt unterschiedliche aber Bildsprachen darbieten, bilden sie vernunftwidrig kooperatives Panorama, simultan eine heterogene Kontinuität , welche die Grenzen zwischen Arbeiten schwächt, indem sie ihre Unterschiede inszeniert.

Der Betrachter hat nie einen breiten internationalen Kritik-Beifall für seine spielerisch poetischen und zur gleichen Zeit melancholisch ernsten Gestaltungsarbeiten erhalten, die den Tag, die gegenwärtigen Angelegenheiten, die Gespräche und die Ereignisse vertreten, denn er steckt ja in seinem inneren Birkenwald fester als fest. Die verarbeiteten Gestalten werden aus Film, Werbung oder realem Alltag abgeleitet (manchmal gefunden oder gleichwertig Träumen entnommen).

Karpilewitz, alias Betrachter, plant gewöhnlich jedes Projekt direkt. Das Arbeiten kann manchmal eine Qual für ihn sein, denn das Gefühl, die Emotion, sowie Spontanität sind wichtiger als Perfektion, Vernunft und Reglementierung, zumal die ersten prinzipiell perfekt, vernünftig und züchtig tüchtig sind. Der ganze Vorgang, von Einfall bis Ergebnis, ist seine betrachterisch-karpilewitzsche inszenierende Weise, eine Gruppe von Ideen zu einem greifbaren Wesen zu machen. Die Tätigkeit des eigentlichen Machens ist sehr wichtig ebenso: sie behauptet sich als Röhre zwischen Situation und Räumlichkeit.

Papierarbeiten
Die meisten Blätter sind die in Moskau, 2004-2006 angefertigten Relief-Zeichnungen. Außerdem: Zeichnungen, Monotopien, monotypisch bedruckte Zeichnungen, München, 2006-2007. Alles hauptsächlich Öl auf Starkpapier kleineren Formats.

Relief-Zeichnung: in dieser: Arbeit ein Begriff für: Das Papier erhält mechanische Verletzungen. Diese Zwischenergebnisse sind nur bedingt optisch zu erfassen bzw. zu kontrollieren. Daher gilt hierbei ein hohes Maß an Zufall. Dennoch behält das Papier nach der " Behandlung " seine ebene Form bei. Die bei dem Eingriff entstandenen Vertiefungen können Farbe aufnehmen, wenn man das Blatt dem gestalterischen Vorhaben nach einfärbt und mit einem Lappen, Pinsel, Spachtel, Geldkarte, Finger oder ähnlichem die auf der Oberfläche stehende Farbe plastisch mit Endpräzision zurechtorganisiert. Durch Einsetzen der obenerwähnten Mittel lässt sich die Farbe aus den Vertiefungen, Kratzen und Rillen "wieder herausziehen" und erscheint auf dem Blatt stellenweise wie direkt Gezeichnetes.
Raumbezogene Arbeiten
Fünf in der Art der Ausführung diverse Objekte ( s Luft-Plane-Ding, transformierte Sperrmüll-Funde, ein Video-Zitat und schließlich die Präsentation von Papierarbeiten unter dem Titel "Aus der Moskauer Fassung ") animieren bzw. unterstützen die Szenerie.


" +48° 7' 58.62", +11° 33' 30.64" ".

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Ein Moskauer Mädchen sagte einmal zu Maxim: " Karpilewitz, ich freue mich unwahrscheinlich, daß ich bloß eine schwarz-weiße Glotze habe, denn dadurch sehe ich einfach weniger Blut!". Er antwortete, ihre blühende Megapolis unterscheide sich durch nichts von einem dichten Birkenwald.












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